Wie jedes Jahr musste auch diesmal ein Haushaltsplan für das nächste Jahr beschlossen werden, damit der Kreis Gießen, genauer gesagt die Kreisverwalung, auch weiterhin Handlungfähig bleiben kann. Die Debatte über den Haushalt wird gerne dazu genutzt die eigene Politik zu erklären (insbesondere wenn man regiert), oder die Politik der anderen Parteien zu kritisieren (meist aus der Opposition heraus). Da wir glücklicherweise mit der SPD und der FW an der Regierung sind, ist mein Redebeitrag mehr ein Werben um unsere Positionen gewesen. Aber lest selbst … Viel Spaß dabei!!!
Sehr geehrter Herr Kreistagsvorsitzender Funk, Sehr geehrte Damen und Herren,
Als wir, SPD, FW und die Grünen, uns im April zusammengesetzt haben, schrieben wir uns auf die Fahnen, besonders in den Bereichen Arbeit, Bildung, Energie was für den Kreis zu tun. Wir haben uns im Koalitionsvertrag vorgenommen, die Entwicklung des Kreises besonders in diesen Feldern voran zu bringen, ohne aber die finanzielle Situation aus den Augen zu verlieren. Eine schwere Aufgabe, aber unserer Meinung nach machbar.
Seit Mai stehen nun unsere Ziele fest. Wenn man realistisch ist, weiß man, dass nicht alle Ziele sofort erreicht werden können. Aber wenn ich mir die Richtung betrachte, die unsere Koalition eingeschlagen hat, dann kann ich unsere Ziele schon deutlich am Horizont erkennen.
Um ein paar Beispiele zu nennen:
– Wir haben der Kreisentwicklung einen eigenen Ausschuss gewidmet um sich mit dem Thema ernsthaft zu befassen, und dem Parlament Zeit zu geben, diesem abstrakten Begriff Leben ein zu hauchen.
– Wir haben der Schulentwicklungsplanung durch eine halbe Stelle im Stellenplan und weiterer Initiativen – über eine Stimmen wir heute ab – mehr Priorität gegeben, ja ein ernsthaftes Gesicht verliehen
– Wir haben die Neuordnung der Hausmeister und Putzfrauendienste angestoßen
– Wir haben dem Ausländerbeirat eine Stimme im Parlament gegeben
– Wir haben als Koalition in 2 Sitzungen 8 Anträge auf den Weg gebracht.
Und wir haben, und da sind wir Grüne besonders stolz drauf,
– Einen übersichtlichen Energiebericht, der seinen Namen verdient, heute zur Verabschiedung und für weitere Handlungsoptionen zur Verfügung
– Wir haben uns bei dem Projekt „100% Erneuerbare Energien Region“ von Deenet beworben
– Wer haben ein Konzept für einen nachhaltigen Ressourcenverbrauch in Kreiseigenen Schulen in Auftrag gegeben
– Wir haben eine Stromtankstelle am Rivers eingeweiht, um zu zeigen, dass wir auch das Thema E-Mobilität ernst nehmen.
– Wir haben ein Kreisenergiekonzept angestoßen, das unter anderem vorsieht den Kreis bis 2030 auf 100% erneuerbare Energien umzustellen
Sie merken es, wir haben in kurzer Zeit schon viel auf die Beine gestellt. Es wurde viel getan.
Und wir planen weiter.
Diesmal ist unsere Planung auch Eingegossen in Zahlen in dem Haushaltsplan, der Ihnen heute vorliegt.
Das SIP läuft dieses Jahr aus, und trotzdem wollen wir weiter Investieren. Allein 4,5 Millionen € fließen in die Sanierung alter Schulbauten.
An der Willi-Brand-Schule wollen wir allein 1.000.000 € für die Energetische Sanierung ausgeben. Wir haben diese Baumaßnahme schon lange moniert, der Energiebericht 2010 bestätigt unsere Wahrnehmung. Wir sind froh, dass die Schule nun in Angriff genommen wird.
Auch an der Energiewende wollen wir uns aktiv beteiligen. So wollen wir ein Blockheizkraftwerk an der Dietrich Bonhoeffer Schule in Lich für 240.000€ einrichten und uns an einer Biogasanlage an der Kompostierungsanlage Rabenau mit 20.000€ beteiligen.
Und mit der Solarstiftung wollen wir eine zweite Anlage in Annerod auf die Grundschule bauen.
Den Fuhrpark wollen wir weiter entwickeln und auch alternative Antriebsformen prüfen. Das Elektroauto für die Verwaltung wird kommen. Ein Erdgas-Auto haben wir dank unserer Dezernentin schon.
Wir wollen nächstes Jahr eine Potentialanalyse für regenerative Energien im Kreis in Auftrag geben.
Wir tanken mit dem Haushalt auf, um unseren Zielen wieder ein Stück näher zu kommen. Und die Richtung: Stimmt weiterhin!
Leider haben wir ein Hindernis zu umschiffen, und das ist unser Schuldenstand.
In Bezug auf den Schuldenberg, der in den letzten Jahren angehäuft wurde, gibt es verschiedene Interpretationen, wie der da hin kommt und warum er so hoch ist. Eine hat uns Herr Oswald letzte Sitzung erörtert. Eine Einschätzung, die auch ich teile: Wir müssen Aufgaben erledigen, für die wir nicht ausreichend Mittel bekommen.
Ich glaube aber das ist nur die halbe Miete der Erklärung. Ich denke, dass die Gesellschafft in Deutschland insbesondere in den 90er Jahren über Ihre Verhältnisse gelebt hat. Wichtige Reformen blieben aus, Renten wurden als sicher deklariert, obwohl sie es längst nicht mehr in dem Maß waren. Steuergeschenke wurden verteilt, Schulden gemacht, ohne sich die Folgen für die Zukunft klar zu machen.
Und ich sage mit Absicht die Gesellschaft und zeige nicht auf eine Partei oder Gruppe, denn es waren alle beteiligt, auch wir Grünen. Ausnahmen bestätigen die Regel: Im Landkreis Gießen wurden 1993 erstmals Schulden gemacht, nachdem wir uns mit dem Abgang von Hans Christoph Boppel wieder auf den harten Bänken der Opposition befanden. Der Begriff Nachhaltigkeit, auch in Bezug auf Finanzen fand erst wieder 2001 Bedeutung in der Politik, als der Rat für Nachhaltigkeit von Gerhard Schröder einberufen wurde.
2003 begann dann auch ein Umdenken mit der Agenda 2020, zumindest auf Bundesebene. Leider waren wir, die Landkreise, die Verlierer bei dem Prozess.
Aber auch vor Ort hat ein Umdenken begonnen. Leider müssen wir feststellen, dass hier ebenfalls zu spät gehandelt wurde. Dieses zögerliche Umlenken bestraft uns heute. Wir sind als Parlament kaum noch selbstbestimmt. Der größte Teil des Haushalts fließt in Pflichtaufgaben, die Tilgung alter Schulden und in die Bestandshaltung unserer Liegenschaften. Die kleinste Summe fließt für politische Vorhaben.
Wir machen nächstes Jahr wieder Schulden und ich wage den Blick in die Zukunft: übernächstes Jahr auch.
Und ich frage sie, nicht wer das bezahlen soll, sondern wie sich vorstellen, wie man in 20 Jahren noch Politik machen soll, wenn alles fremdbestimmt ist?
Ich sage Ihnen das Thema Nachhaltigkeit muss eine noch bedeutendere Rolle spielen.
Nicht als Floskel aber als Handlungsmaxime. Wenn wir Schulden machen, nur wenn wir dann auch gut gebaute Schulen hinterlassen, die so gedämmt sind, dass einem steigende Energiepreise nicht so wehtun. Darum finde ich es gut, dass wir Neubauten nur noch im Passivhausstandart bauen werden.
Wenn wir Schulden machen muss hinter dem Kredit eine handfeste Investition für die Generation nach uns dahinter stehen. Darum lohnt sich jeder Euro im Bereich Jugend und Soziales.
Und wenn wir einen Beschluss fassen, dann müssen wir schauen, was er uns später mal kosten wird, und was er für die Zukunft bringt.
(Letztendlich muss die Konsolidierung des Haushalts ein angestrebtes, langfristiges Ziel sein. Genauso haben wir es auch in unserem Koalitionsvertrag festgelegt.)
Nachhaltigkeit in allen Bereichen und immer mit Blick auf die Finanzen, dass haben wir uns in der Koalition vorgenommen. Ich denke das ist machbar und der Haushalt 2012 bestätigt das.