Es gilt das gesprochene Wort:
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
Wer in die Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern –
Der Blick auf den Haushalt für das nächste Jahr ist nicht nur einer in die Zukunft, sondern auch immer eine Reflexion dessen, was in diesem Jahr passiert ist.
Politisch war dieses Jahr geprägt davon, dass die Karten neu gemischt worden sind. Wir hatten insgesamt drei Wahlen zu bestreiten, zwei davon haben uns direkt betroffen. Die Kommunalwahlen im Frühjahr brachte viele neue Gesichter und neue Mehrheiten in unser Parlament, die Oberbürgermeisterwahl einen neuen Rathauschef, dem ich auch über diesem Wege nochmal alles Gute und viel Erfolg wünschen möchte. Und auf dessen Zusammenarbeit ich mich freue.
Auch eine neue Koalition prägt nun dieses Haus: Wir Grüne haben uns gemeinsam mit SPD und der Gießener Linken nach der Wahl auf den Weg gemacht, den ökologisch-sozialen Fortschritt für Gießen zu gestallten. Dass wir den Titel mit Leben füllen wollen, zeigt dieser Haushalt, der Ihnen nun vorliegt.
Aber auch schon dieses Jahr konnten wir in einigen Bereichen erste Weichen stellen:
Zum Beispiel haben wir
- Die Expressbuslinie vom Bahnhof zum Philosophikum eingerichtet, um den ÖPNV noch attraktiver zu gestalten.
Oder die Sozialwohnungsquote bei Neubauprojekten auf 20% festgelegt, plus 10% für Schwellenhaushalte. Dazu wird Gießen beim Bauen Ökologischer, indem nun PV-Anlagen auf den Dächern bei Neubauten zur Regel werden.
- Wir haben einen Melder für unangenehme und unsichere Orte in Gießen eingerichtet, damit wir für die Stadtentwicklung wichtige Impulse aus der Bevölkerung erhalten – und erste Maßnahmen dazu erarbeitet – zum Beispiel an der Unterführung Bahnhofstraße – Sieboldstraße.
- Wir haben mit dem Pumptrack in Gießen die Attraktivität des Stadtparks für Familien weiter erhöht.
- Wir haben die Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes Gießen von 2011 auf den Weg gebracht, damit der für uns wichtige Einzelhandel auch weiterhin eine gute Perspektive in der Stadt erhält.
- Und wir haben mit der Wohnbau GmbH das Projekt Trieb 5 eingeweiht – ein hocheffizientes Mehrfamilienhaus mit 20 Sozialwohnungen.
Außerdem wollten wir hier im Parlament ein neues Miteinander prägen, gute Vorschläge aufnehmen, konstruktiv miteinander umgehen, auch mal gemeinsame Lösungen suchen. Das haben wir durch die Übernahme von Anträgen und dem auseinandersetzen mit den Inhalten, die uns vorgelegt wurden und in interfraktionellen Arbeitsgruppen auch immer wieder getan. Wir haben Sitzungen reflektiert und entsprechend Änderungen auf den Weg gebracht, wie man beispielsweise auch an der Besetzung des Präsidiums heute gut sehen kann.
Allerdings müssen wir auch feststellen, dass ein solcher Stil eben keine Einbahnstraße und auch nicht immer gewollt ist.
Gerade in Vorbereitung auf diese Sitzung haben wir wieder erlebt, dass unser Wille zur Kooperation ausgenutzt wird, um uns vorzuführen. So treffen wir uns heute mitten in der Pandemie, in der 4. Welle und haben den kleinsten Teil B seit Jahren, weil man sich nicht darauf einigen konnte, die Fraktionsanträge, die in den Ausschusssitzungen und in der Presse schon sehr ausführlich behandelt wurden, in genau diesen Teil zu schieben. Und auf Wunsch Einzelner geht die Redezeit zum Haushalt heute 15 anstatt wie im letzten Jahr und von uns vorgeschlagen 10 Minuten.
Die Unabwägbarkeiten durch Corona werden uns auch im kommenden Jahr begleiten und es bleibt zu befürchten, dass die Gewerbesteuereinnahmen in den nächsten Jahren nicht auf der Höhe verbleiben beziehungsweise steigen. Diesmal kann das Defizit durch die besonnene Haushaltsführung der letzten Jahre abgegolten werden, uns ist dabei klar: eine Dauerlösung wird es nicht bleiben können.
Wir werden auch in Zukunft weiterhin hartdaran arbeiten, den Spagat zwischen einem ausgeglichenen Haushalt bei gleichzeitiger Erhaltung unserer öffentlichen Daseinsvorsorge und maximal möglichen Investitionen hinzubekommen.
Die Coronakrise hat leider viele Verlierer. Nicht nur das Pflegepersonal erfährt Belastungen, die an und über die Grenzen hinausgehen. Auch Familien und Kinder haben durch die Krise leiden müssen. Daher bin ich froh, dass wir in den Kitas einen weiteren wichtigen Schritt gehen: Hier kommt es zu starken Verbesserungen, indem das Konzept der alltagsunterstützenden Zusatzkräfte auch für die Ü3-Gruppen übernommen wird, nachdem es sich in den letzten Jahren bei Unter3 Jährigen sehr bewährt hat.
Die deutliche Stellenausweitung im Kitabereich vom letzten Jahr kommt nun auch langsam zum Tragen, leider nicht so schnell wie erhofft, da Erzieher und Erzieherinnen schwer zu finden sind.
Diese Qualitätsverbesserungen im Kitabereich sind echte soziale Leistungen. Denn sie erhöhen die Bildungschancen gerade der Kinder, die zu Hause nicht die Förderung erhalten können, die sie benötigen.
Zudem wird durch die Stellenausweitung im Jugendamt die präventive und fürsorgerische Leistung des Jugendamtes massiv verbessert und wir kommen unserem Ziel, eine Personalsausstattung zu erreichen, die in fachlichen Standards gefordert wird sehr nahe! (1:30)
Doch nicht nur im Bereich Kita und Jugendamt engagieren wir uns für junge Menschen, auch dieses Jahr investieren wir weiter in Schulen. Von den 48 Millionen € im Finanzhaushalt investieren wir 15,5 Millionen in unsere Bildungseinrichtungen.
Dabei entsteht hier oft eine Win-Win-Situation und ein perfektes Beispiel für die sozial-ökologische Wende:
Zum einen verbessern wir durch bauliche Anpassungen die Rahmenbedingungen für gute Bildung und ermöglichen modernen Unterricht und zum anderen tragen wir durch energetische Sanierungen dazu bei, unseren CO2-Ausstoß zu reduzieren.
In Summe investieren wir nächstes Jahr 5,5 Millionen € des Finanzhaushaltes in Maßnahmen für den Klimaschutz und Klimaanpassungen. Das sind mehr als 10 Prozent der Gesamtsumme.
Aber auch im Ergebnishaushalt stellen wir Mittel für unser Kernanliegen bereit. So sind zum Beispiel die Mittel für den Verkehrsversuch am Anlagenring eingestellt, um auch die finanziellen Voraussetzungen für die Umsetzungen zu schaffen.
Außerdem bauen wir die LNO in der Verwaltung wieder auf. Wir versprechen uns daraus eine langfristige Stärkung des ÖPNV’s in unserer Stadt und eine bessere Verzahnung mit dem Landkreis. Mit diesem Haushalt wird ein solides Fundament für die Verkehrswende geschaffen.
Ein weiteres sozial-ökologische Projekt, dass wir nächstes Jahr angehen wollen, möchte ich noch erwähnen: Wir wollen das Fahrradverleihsystem in der West- und Nordstadt ausbauen und in der ersten Stunde für Gießenerinnen und Gießener kostenlos anbieten. Somit wird Fahrradfahren in Zukunft für jede und jeden in Gießen kein Thema des eigenen Budgets mehr sein.
Zuletzt möchte ich mich bedanken: Zum einen bei meiner Fraktion für die Zusammenarbeit in diesem Jahr, die doch für uns sehr spannend war in dieser speziellen Zeit.
Zum anderen möchte ich mich bei unseren Koalitionspartnern SPD und Gießener Linke bedanken. Wir haben uns im Frühjahr zunächst über politische Gemeinsamkeiten angenähert. Doch ich denke, es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass wir uns auch persönlich gut verstehen. Ich möchte mich hier bedanken, für die offene Atmosphäre und Debattenkultur, die wir pflegen und natürlich auch für die konstruktive Zusammenarbeit.
Last but not least – möchte ich bei den Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern der Kämmerei bei der Unterstützung für die Erstellung des Haushaltes bedanken.
Ohne Sie wären wir zu solch einem Zahlenwerk nicht im Stande.
Wir – die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen werden diesem Haushalt zustimmen.
Lieben Dank